“So Freunde, hier mein Bericht von der Ironman-Weltmeisterschaft 2019 in Kona/Hawaii:
Mit dem Finish bei diesem Rennen hat sich für mich ein Lebenstraum erfüllt. Seit meinem ersten Ironman in Nizza 2007 war es immer das Ziel, irgendwann in Kona starten zu dürfen. 2019 war es nun endlich soweit. Und da es so schwierig ist, sich für dieses mystische Rennen zu qualifizieren, ist der Druck enorm groß. Der Druck, bloß nicht krank zu werden oder sich zu verletzen oder im Rennen einen Fehler zu machen, der das Aus bedeuten könnte, denn ich hatte nur genau diese eine Chance. Während ich sonst mein Material auf maximalen Speed auslege, kamen hier die dicksten und pannensichersten Reifen zum Einsatz die ich finden konnte. In den letzten Wochen wurden konsequent Menschenansammlungen gemieden und auf der Arbeit immer zuerst gefragt, ob jemand krank ist oder sich nicht fühlt. Wenn dann im Zug nach Frankfurt alles um dich herum hustet, wirst du fast wahnsinnig.
Und so ging es sicherheitshalber mit Mundschutz und Desinfektionstüchern in den Flieger. Der lange Flug verging schneller als gedacht. Zwischenstopp in San Francisco – willkommen in den USA. Der Einreise-Officer sagt mir, dass er „pissed off“ von mir ist, die Koffer liegen auf dem falschen Band, gerade noch so den Anschlussflug geschafft, erster Stressmoment überstanden. Zum Glück ist auf Hawaii alles anders. Dort sind die Menschen (auch die Amerikaner) nett und entspannt – eben hang loose. Kaum aus dem Flieger gestiegen, gab es Blumenkränze und Snacks von der Crew von Hannes Blaschke.
Nun war ich also im Mekka des Triathlonsports. Unser Hotel war schick und fußläufig zum Start mit Blick vom Balkon auf die Schwimmstrecke. 12 Stunden Zeitverschiebung führten dazu, dass man abends zeitig müde wurde und früh um 4 wieder wach war. Sehr gut, denn genau so brauchst du es fürs Rennen. Nach der ersten Nacht und leckerem Frühstück kam er dann, der Schlag ins Gesicht – die Hitze. Auf Big Island gibt es oft Wolken, nur sind die leider selten vor der Sonne. Mir war sofort klar, dass ich hier sämtliche Zeitziele für das Rennen erstmal ad acta legen kann. Das hier wird in erster Linie ein Kampf gegen das Klima. Und da ich bekanntermaßen bei Hitze schon immer größere Probleme habe als die anderen Kinder, waren die nächsten 6 Tage geprägt von Selbstzweifeln und fast ein bisschen Angst. Wie soll man hier Sport machen, wenn schon der Spaziergang zum Strand eine Qual ist? Na gut, irgendwie muss es ja möglich sein und zumindest war meine Vorbereitung diesmal nahezu perfekt. Bis zum Rennen hatte ich noch drei lockere Trainingseinheiten, welche alle drei katastrophal verliefen – Schwimmen wie beim Warmbadetag in einer Waschmaschine, Radfahren wie mit einem Fön in der Sauna, Laufen kann ich mich nicht mehr erinnern. Aber gut, so konnte ich wenigstens erahnen was auf mich zukommt und jeweils ein Tempo herausfinden, welches nicht zu einer kumulierten Überhitzung führt. Dafür war der Rest der Woche einfach nur geil: eine riesengroße Messe, Merchandise wohin man schaut, der ganze Ort ist Ironman. Nationenparade, Underpants-Run, Legacy Party… jeden Tag gab es ein Highlight und man kam so richtig in Stimmung. Ständig traf man die Stars früherer Tage und ab und an auch die aktuellen. Alle waren immer bereit für ein Foto und Smalltalk. Die Krönung war die Party für die Legacy Athleten. Die drei Rekordsieger von Kona, Paula Newby-Fraser, Dave Scott und Mark Allen, waren unterm Volk und hielten sehr inspirierende Reden. So was gibt’s nur im Triathlon. Stellt euch vor ihr seid Fußballer und auf einer Party mit Pele, Maradonna und Beckenbauer – und die reden mit euch!!!
In Kona ist alles größer als bei normalen Ironman-Rennen. Beim Rad-Einchecken bekommst du einen persönlichen Volunteer, der dir nicht von der Seite weicht und bevor du dein Rad abstellst, kommt ein Vertreter von Cervelo und schenkt dir noch ein T-Shirt mit den Worten „Thank you for riding our bikes.“ Also man fühlt sich ein bisschen wie ein Star – zumindest wenn man Cervelo fährt ;-).
So, nun zum Renntag. Vier Uhr irgendwas Aufstehen – und glaubt mir, ich war wach. Kleines Frühstück reingewürgt, nochmal in Sonnencreme gebadet und dann zu Fuß zum Start. Bodymarking, Radcheck, Luftaufpumpen und eigentlich kämpfst du schon die ganze Zeit mit den Tränen. Das hier ist das große Ziel, das besondere Rennen und es herrscht wirklich eine ganz spezielle Atmosphäre. In diesem Jahr gab es zum ersten Mal einen Wellenstart und ich war in der allerletzten Startwelle um 7:30 Uhr. Ich hatte also noch ein bisschen Zeit um nachzudenken und mein Testament zu machen. Ich bin als einer der Letzten ins Meer, die Profifrauen kamen gerade aus dem Wasser. Bis zur Startlinie waren noch ein paar Meter zu schwimmen, dort angekommen hatte ich eine perfekte Position und schon ging es los. Der Plan war, ruhig zu schwimmen und genau das habe ich getan. Angeblich war der Pazifik an diesem Morgen besonders unruhig, das habe ich aber nicht bemerkt. Das ist der Vorteil wenn man bei deutlich schlechteren Bedingungen trainiert hat, dann kam es dir jetzt vor wie Schwimmhalle. Allerdings wurde ich durch die Strömung ziemlich abgetrieben und musste so ein paar Meter mehr bewältigen. Egal, nach 1:09 h ging es wieder an Land (Anmerkung der Redaktion: schneller als Winokurow und Jalabert ;-)) und ich war kein bisschen platt. Das lief schon mal gut und am Himmel waren auch noch ein paar Wolken. Sollten meine Gebete erhört worden sein?
In der Wechselzone habe ich keinen Stress verbreitet und mich fertig gemacht für einen langen Tag in der Sonne. Skincooler-Ärmlinge anzuziehen braucht vielleicht eine halbe Minute länger, aber die habe ich gern investiert. Dann ging es aufs Rad und auch hier war die Devise: locker fahren, bloß nicht überpacen. Es ging los mit Rückenwind und Wolken und ich war fast in Versuchung erstmal ordentlich reinzutreten nach dem Motto: „Was ich hab, das hab ich.“ Aber nein, ruhig bleiben, der Tag wird noch lang… und warm. Und so war es auch. Die Wolken verschwanden und die Sonne tat was sie tun musste. Obwohl ich meine komplette Verpflegung am Rad hatte (inklusive Unmengen von Salztabletten – ganz wichtig in Kona), habe ich an jeder Verpflegungsstelle das Tempo gedrosselt, um ja keine Flasche zu verpassen. Immer zuerst trinken und dann kaltes Wasser über den Körper – eine Wohltat… für ungefähr eine Minute. Die Strecke ist recht hügelig und man sollte sich über jeden Meter Rückenwind freuen, denn wenn es blöd läuft, kannst du 180 km Gegenwind erwischen. Die Winde sind unberechenbar und können sich minütlich ändern. Nach einem längeren Anstieg nach Hawi kommt der berühmteste Wendepunkt des Ausdauersports und es geht wieder zurück, immer auf dem Highway und durch Lavawüsten ohne jeglichen Schatten. Zunächst kurz Rückenwind, welcher mich bis zu 70 km/h Reisegeschwindigkeit ohne zu treten blies und dann kamen sie, die berüchtigten Mumuku-Winde von der Seite. Bis zu diesem Punkt dachte ich, die Geschichten mit dem krassen Wind sind etwas übertrieben, aber hier musste ich aus Sicherheitsgründen in die Oberlenkerposition. Vor einigen Jahren hat es hier eine leichtgewichtige Athletin von der Straße gepustet – ja, das kann ich glauben. Nach der Abfahrt wurde es ein bisschen zäh mit Gegenwind für den Rest der Strecke und zunehmender Hitze. Eigentlich hatte man das große Bedürfnis, den Helm endlich abzunehmen. Nach 6:04 h auf dem Rad war es dann endlich soweit.
Wieder keine Hektik beim Wechsel, ein Volunteer cremt dich ein, während du eigentlich nicht wieder raus in die Sonne willst. Aber okay, es ist nur noch ein Marathon, most of the work is done und deshalb bist du ja hier. Also ganz easy anlaufen – zu langsam gibt es hier nicht – und einfach nur von Verpflegungsstelle zu Verpflegungsstelle denken. Denn da gibt es meine Rettung: Eis . Als Spezialequipment hatte ich mir eine Schlauchbinde zu einem Schal umfunktioniert, den ich mir in regelmäßigen Abständen mit Eis befüllt habe. Und Eis gab es zum Glück reichlich. Die ersten 10 Kilometer waren sehr zäh und dann ging es die Palani Road hoch auf den Highway. Während die meisten die Palani hoch gingen, konnte ich noch laufen oder wie auch immer man diese Art der Fortbewegung eines Kadavers auch nennen möchte. Jedenfalls kam dadurch eine gewisse Zuversicht auf und dann wurde mein größter Wunsch an diesem Tag erfüllt: Wolken!!! Und zwar sogar vor der Sonne!!! So ging der Rest des Marathons inklusive Energy Lab erstaunlich gut. Ich habe mir immer eine Kraftreserve aufgehoben und hätte hintenraus sogar nochmal zulegen können. Aber warum? Lieber stehend ins Ziel kommen und noch in der Lage sein zu genießen. Und so war es dann auch. Nach einem Marathon von knapp über 4 Stunden mit nur minimalen Gehpausen im Bereich der Verpflegungsstellen war ich nach 11:26:16 h am Ziel meiner Träume angekommen. Unter 12 h war das Ziel, aber eigentlich ist das egal. In purer Sonne wäre das für mich schwer geworden und in Kona ist nur eins wichtig: ein Finish. Wenn du nur diese eine Chance hast, darfst du kein Risiko eingehen und musst einfach nur demütig sein. In diesem Sinne: vielen, vielen Dank an alle Supporter und Fans und vor allem an die, die immer an diese Mission geglaubt haben. Soviel Zuspruch hatte ich echt nicht erwartet, mein Handy ist fast explodiert. Ihr habt mich echt motiviert und durch den Tag getragen.
Nach einer Dusche im Hotel ging es später zur Finish Line Party und hier wurde dieser perfekte Tag in atemberaubender Atmosphäre vollendet. Da ich an diesem Tag mindestens 5 Liter kalte Cola getrunken hab (so geil bei Hitze), konnte ich für den Rest des Urlaubs nicht mehr schlafen .
In der folgenden Woche haben wir die Schönheit der Insel erkundet inklusive eines Helikopterfluges über Vulkane, Regenwälder und Wasserfälle. Nach dem Rennen ist man doch deutlich entspannter und kann den Urlaub genießen. Am folgenden Wochenende ging es dann nach einem kurzen Ausflug in die City beim Zwischenstopp in San Francisco wieder heim, wo ich am Bahnhof in Witte empfangen wurde wie ein Weltmeister . Danke an die Kollegen für diese gelungene Überraschung. Ihr seid die geilsten Fans die man sich vorstellen kann.
Seit ich als untalentierter Läufer angefangen habe Sport zu treiben, habe ich die Ironmänner und -frauen bewundert und verehrt. Hellriegel, Zäck und Leder waren und sind Idole. Die Ironmänner aus unserer Region haben mich inspiriert. Der Ironman Hawaii war für mich aber damals so weit entfernt wie der Mond von der Erde. Jetzt war ich auf dem Mond ;-). “

#triathlonfreundewittenberg

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One response

  1. Hey Micha,
    toller Bericht von deinem Rennen. Da ist man als Triathlet immer gleich wieder Feuer und Flamme für dieses Rennen. Besonders toll finde ich aber deine Einstellung. Demütig sein und die einmalige Gelegenheit in vollen Zügen genießen. Solche Momente sind sonst meist viel zu schnell vorbei. Ich hoffe, du kannst die Erinnerungen an dieses Abenteuer noch lange genießen.
    Beste Grüße
    Schorsch

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