Wann habt ihr euch das letzte Mal so richtig herzhaft gestreckt? Heute Morgen im Bett? Am Frühstückstisch? Überlegt mal genau!

Ich jedenfalls räkel‘ mich ausgiebig jeden Morgen ein paar Minuten. Meine Muskeln signalisieren Arbeitsbereitschaft und Ausgeruhtsein.

Aber erst seit zwei Monaten wieder! Ich hatte mich jahrelang nicht gestreckt – und das gar nicht bemerkt. Es muß irgendwann einfach abhanden gekommen sein, ich kann mich nicht erinnern…

Wenn es euch geht wie mir: Beobachtet mal genau! Denn: das ist ein schräges, aber eindrückliches Symptom für … Hashimoto-Thyreoiditis!

Bitte, was?

Bei dieser Krankheit macht das körpereigene Immunsystem Antikörper gegen die eigene Schilddrüse, die darum nach und nach den Geist aufgibt. Die resultierende Schilddrüsenunterfunktion hat schleichende, aber heftige Konsequenzen. Zum Beispiel bei Kinderwunsch. Oder aber für die Muskeln.

Ich habe Hashimoto. Darunter leiden wohl 10% der Deutschen, aber auf 5 Frauen kommt ein Mann. Insofern ist das ein Frauenthema.

Es entwickelt sich gerne schleichend. Die Symptome schiebt man aufs älter werden, auf die Pille, auf geänderte Lebensweise: Man wird fetter, das Haar wird schütter, die muskuläre Leistungsfähigkeit läßt nach.

Mit 26 bin ich die 1000 Treppenstufen nach Machu Picchu in den peruanischen Anden herunter gestiegen. Nach der Hälfte der Strecke konnte ich meine Beine nicht mehr kontrollieren. Ich weiß noch, wie ich mich hingesetzt und geweint habe. Alle anderen waren längst im Camp, als ich im Dunkeln ankam. Für nicht-Betroffene: es fühlt sich an, wie wenn man bei extremer Kälte ohne Handschuhe Fahrrad gefahren ist und mit den tiefgefrorenen Fingern Klavier spielen soll. Es geht einfach nicht.

Genauso im Stich gelassen von den eigenen Muskeln wird man beim Sightseeing, beim Möbelschleppen und – beim Triathlon.

Klar kann man das behandeln. Man nimmt einfach L-Thyroxin, ein Schilddrüsenhormon. Idealer Weise genau so viel, wie einem fehlt, weil weniger Schilddrüsengewebe auch weniger davon herstellen kann. Nur: wieviel fehlt einem?

Das ist extrem schwierig festzustellen. Genauso wie es nicht ganz einfach festzustellen ist, OB überhaupt eine Schilddrüsen-Unterfunktion vorliegt. Zwar gibt es viele Laborwerte, die man erheben kann. Aber deren Interpretation ist schwierig. Auch sind die Referenzwerte möglicherweise nicht korrekt, weil sie erhoben wurden, als noch unbekannt war, wie viele Menschen unter Schilddrüsenunterfunktion leiden. So sind damals Werte (bis zu 10%!) als normal gewertet und als Normal-Referenz betrachtet worden, die es eigentlich nicht waren. Vergleicht man mit den alten Referenzen, kann als normal eingestuft werden, was tatsächlich schon jenseits liegt.

Es hat 20 Jahre gedauert, bis festgestellt wurde, dass ich Hashimoto habe. Und anschließend habe ich vier Jahre gebraucht, um meine L-Thyroxin-Menge zu finden, trotzdem ich einen guten Endokrinologen an der Hand habe. Wie gut ich eingestellt war, lässt sich direkt an meinen Leistungen der letzten Jahre ablesen: Up and Down. Dazu die indirekten Folgen der unfitten Muskeln: Fersensporn und Läuferknie, Schulterschmerzen und Regenerationszeiten nach einem 10-km-Läufchen von einer Woche und mehr. Und: JEDE, aber auch jede Infektion meiner Kinder machte bei mir Station. Ach, und habe ich schon gesagt, dass man fett wird?

Ich hätte gern mehr Informationen zu meinen Problemchen während der letzten Jahre gehabt – aber selbst das allwissende Netz ist hier dünn versorgt. Die meisten Hashis haben null Bock auf Sport. Ich kann nur sagen: kein Wunder!

In letzter Zeit stelle ich zu meiner Freude fest, daß es immer mehr Frauen zum Sport zieht. Deshalb würde ich gern meine Erfahrungen teilen, damit es anderen nicht wie mir geht und erst bittere Erfahrungen gemacht werden müssen.

 

Eure Johanna

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